[Wu-studierende] Info des WU-Rektorats

Christoph Badelt christoph.badelt at wu.ac.at
Mi Nov 4 17:19:45 CET 2009


Liebe Kolleginnen und Kollegen,

 

Im Hinblick auf die große Aufmerksamkeit, die die studentischen Proteste an
einigen Universitäten in den letzten Tagen gefunden haben, wollte ich Sie
gerne auf direktem Weg über die Position des Rektorats zur aktuellen Debatte
informieren. Auch geht es mir darum, Ihnen die WU-Perspektive der
Problematik aufzuzeigen.

 

Unter den Forderungen, die in diesen Tagen erhoben werden, gibt es einige,
die wir als sinnvoll und berechtigt ansehen. Wir teilen insbesondere das
breite gesellschaftspolitische Anliegen, jedem bildungswilligen Menschen
einen Zugang zur höheren Bildung zu verschaffen. Daher finden wir es
prinzipiell gut, wenn es mehr Studierende gibt. Wir sehen es als unsere
Aufgabe als Universitätsleitung an, möglichst vielen jungen Menschen einen
erfolgreichen Studienabschluss zu ermöglichen. Dies geht aber nur,  wenn wir
Ihnen akzeptable Studienbedingungen bieten können.

 

Es ist leider  Realität, dass die Kapazitäten der WU viel zu klein sind, um
allen Studienanfänger/innn/en an dieser Universität die Erreichung dieses
Ziel zu ermöglichen. Obgleich wir in den letzten Jahren immer mehr Personal
und Räume erhalten haben, war dieses Ressourcenwachstum nie groß genug, um
die Betreuungsrelationen zu verbessern, einfach deshalb, weil die
Studierendenzahl stärker gewachsen ist als die Ressourcen. Heute kommen auf
einen WU-Professor/eine Professorin bereits mehr als 320 Studierende; die
Zahl der Anfänger/inn/en ist fast viermal so groß wie die Zahl der
Studienplätze, über die wir verfügen.

 

So sehr wir daher stets für mehr Ressourcen kämpfen, wissen wir auch, dass
es kurzfristig nicht reichen wird, einfach mehr Geld vom Staat zu verlangen.
Wir glauben, dass es in einer solchen Situation fair und effizient ist,
jedem Anfänger/jeder Anfängerin eine Chance zu geben, sich an der WU zu
bewähren, nach einer gewissen Zeit der Selbsterprobung aber eine
Entscheidung herbeizuführen, wer das Studium fortsetzen kann und wer
realistisch gesehen keine Chance auf einen positiven Studienabschluss hat.
Das ist auch ein Ziel der Studieneingangsphase. 

 

Wir müssen in den ersten Semestern mit Großveranstaltungen, E-Learning und
Multiple Choice Prüfungen arbeiten, um die großen Studierendenzahlen
organisatorisch zu bewältigen. Wir wissen, dass dies keine wünschenswerte
Form des Lernens ist, machen aber so das Beste aus der Situation. Nach den
Erfahrungen der letzten Jahre glauben wir in der Zwischenzeit, dass die
gegenwärtige Studieneingangsphase mit ihren zwei Semestern zu lange ist. Es
ist problematisch, ein Drittel des Studiums in einer Form führen zu müssen,
die eher auf das Bestehen von Multiple Choice Prüfungen als auf wirklichen
Wissenserwerb und persönliche Bildung ausgerichtet ist. 

 

Wir streben daher in den nächsten Wochen und Monaten Veränderungen an: Wir
wollen in einer Studienreform die Studieneingangsphase in Zukunft deutlich
verkürzen, um die notwendige Entscheidung bereits früher herbeizuführen.
Und wir wollen durch Anwendung von Regeln des mit 1. Oktober novellierten
Universitätsgesetzes auch die Erlaubnis erhalten, die Studieneingangsphase
ganz offiziell (und daher auch transparent) mit einer Prüfung zu beenden,
die auch an den Kapazitäten der WU ausgerichtet ist. Sieht man sich die
Prüfungsergebnisse der Studieneingangsphase der letzten Jahre an, dann würde
das niemanden vom Studium abhalten, der/die heute schon die
Studieneingangsphase schafft.  Aber Sie und wir wüssten schon viel früher,
wer erfolgreich weiter studieren kann. 

 

Die Details einer solchen Neureglung sind in den nächsten Wochen zu klären.
Es ist selbstverständlich, dass wir eine solche Klärung (die sich in einer
Studienplanreform niederschlagen würde) gemeinsam mit der ÖH als Ihrer
legitimen Interessenvertretung  beraten und entscheiden werden. Wir bitten
Sie, diesen Prozess mitzutragen – auch wenn Sie selbst davon kaum betroffen
sein werden, weil sich die Regelung ja auf die Zukunft beziehen wird.

 

Parallel dazu werden wir auch weiter für eine kurzfristige Verbesserung
Ihrer Studienbedingungen kämpfen. Dabei  danken wir Ihnen für konkrete
Hinweise und Verbesserungsvorschläge, bitten Sie aber auch, uns beim
sparsamen Ressourceneinsatz zu helfen, indem Sie z.B. nur so viele
Lehrveranstaltungen belegen, wie Sie auch wirklich besuchen können. 

 

In diesen Tagen ist es üblich geworden, gesellschaftliche Idealbilder in der
Öffentlichkeit zu zeichnen. Lassen Sie mich deshalb auch meine persönliche
Vision formulieren: Ich wünsche mir eine deutlich wachsende Zahl an jungen
Menschen, die ein WU-Studium erfolgreich abschließen, weil wir wissen, dass
dies ein guter Start für ihre berufliche Karriere ist. Ich wünsche mir eine
WU, die international anerkannt und weiterhin offen für Studierende aus
möglichst vielen Ländern dieser Welt bleibt, weil Internationalität eine
Voraussetzung für Frieden und wirtschaftlichen Erfolg ist. Und ich wünsche
mir eine Universität, deren Aufgabe es ist, jungen Menschen Bildung im
breitesten Sinn und eine gute Berufsvorbildung zu verschaffen; eine
Universität, die dazu da ist, Menschen zu einer guten Entwicklung zu
verhelfen, nicht aber Menschen hinaus zu prüfen und abzuschrecken.

 

Ich weiß, dass ich aufgrund der wirtschaftlichen und rechtlichen
Rahmenbedingungen diese Vision nicht ganz umsetzen kann. Wir setzen aber
unsere ganze Kraft daran, aus der realen Ausgangssituation Lösungen  zu
erarbeiten, die der Vision so nahe wie möglich kommen. Bitte helfen Sie uns
dabei.

 

In diesem Sinn freue ich mich auf jede Form des Dialogs und wünsche Ihnen
für Ihr Studium das Allerbeste.

 

Herzliche Grüße

 

Ihr Rektor Christoph Badelt (im Namen des gesamten Rektorats)

 

 

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